Tag 26

Heute bin ich erst um sieben fertig gewesen und losgelaufen. Jason war noch tief und fest im ewigen Land der Träume gefangen, also hab ich ihn schlafen lassen und ihm noch eine Packung Magnesiumpulver dagelassen, weil er meinte, er hätte so etwas nicht mitgebracht.

Während ich in Begleitung von Podcasts und Hörbüchern meinen Weg fortsetzte, gelangte ich in immer tiefere Gefilde. Die Hitze wurde drückender und die Sonne stechender. Ich befand mich in einem grünen Tunnel, einer grünen Hölle wenn man so will. Hitze ist in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit schwer zu ertragen.

Ich gelangte zu dieser Brücke, die sich majestätisch über einen klaren Fluss spannt. Ich brauchte dringend neues Wasser, meine Vorräte gingen auf ein Nichts zurück. Unten angekommen, fand ich mich in einem kleinen Biotop wieder. Viel Schatten, angenehm klares Wasser und ein Haufen Schmetterlinge, die sich alle auf einer Sandbank trafen. Und Bremsen, die sich eifrig an meinem Blut ergötzten, beziehungsweise es versuchten. Ich traf auf einmal Jason wieder und wir wanderten noch ein Stück zusammen. Ich sollte später noch froh darüber sein, ihn heute getroffen zu haben.

Die Hitze wurde immer schlimmer. Wir wollten jedoch noch bis Mittag durchhalten, da wir unsere Pausen möglichst effizient der Hitzeeinwirkung anpassen wollten.

Und dann geschah es schon wieder: der nächste große Meilenstein, nein Meilenpflock war erreicht. 300 Meilen durch den Westen der USA sind bereits hinter mir.

Der Trail wurde bröselig und gefährlich. Überall waren schwierige Stellen und erodierte Teilabschnitte, wo der Trail einfach nur noch halb so breit war. Auf dem unteren Bild sieht man einen solchen Abschnitt, beziehungsweise etwas weiter links um die Ecke. Dummerweise hatte ich (wenn auch nur für einen kurzen Moment) nicht genug auf den Trail geachtet und plötzlich ist mir der Weg unter meinem rechten Fuß weggerutscht. Und ehe ich mich es versah, saß ich da am Trail, ein Bein in der Luft, das Andere ist mit dem Knie über die scharfen Steine geschlittert. Ich saß erstmal nur da, ganz verduzt über die überraschende Situation und schaute nur nach unten.

Wenig später kam auch Jason um die Ecke gelaufen. Ich kroch rückwärts in Richtung Felswand und richtete mich auf. Erst jetzt sah ich die blutende Wunde. Keine sehr ernsthafte Sache, nur ein oberflächlicher Abrieb von Haut. Jason half mir später mit dem Reinigen, der Alkohol hat gebrannt wie sonst was. Wir haben schnell gehandelt, da Infektionen in der Wildnis keine angenehme Sache sind. Ich schwor mir ab sofort mehr aufzupassen, vor allem bei schweren Stellen wie diesen.

Ich wollte heute bis zu den heißen Quellen wandern und dort mein Lager aufschlagen. Da es jedoch schon recht spät war, entschloss ich mich, an einem Fluss zu übernachten. Als ich so meine Füße ins Wasser hielt und versuchte mich zu entspannen, fiel mir auch noch mein offener Rucksack seitwärts ins Wasser. Meine Powerbank, die ich extra für den Trail kaufte, fiel natürlich als erstes rein. Ich versuchte panisch das Gerät auszublasen, um Wasser aus der Elektronik zu bekommen. Die Sache schien hoffnungslos, bis mir die Idee kam, das Gerät in meine Haferflocken zu stecken. Ich ließ das Ganze über Nacht so stehen. Ich hoffte, das würde helfen.

Überwältigt und deprimiert von den Ereignissen des Tages, habe ich etwas probiert, woran ich vorher noch nicht dachte. Meditation im Wasser. Ich ging also so wie Gott mich schuf in die kühle Quelle und setzte mich, sodass mir das Wasser bis zum Hals reichte, und fing an langsam und tief zu atmen. Ich stellte mir vor, dass mit dem an mir vorbeifließendem Wasser sämtliche Negativität und schlechten Gefühle mit fortgeschwämmt würden. Und es funktionierte. Nach ein paar Minuten Atmung und Achtsamkeit fühlte ich mich wieder lebendig und energetisiert. Frisch wie die kühle Abendluft und eins mit der Natur. Ich hatte diese Nacht einen festen und traumlosen Schlaf.

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