Tag 51

Aus Sicherheitsgründen entschieden sich heute Nacht alle dazu an dem Platz von gestern Abend zu bleiben. Wir schliefen ohne Zelte. Für den Fall der Fälle, dass die Situation eskaliert, wollten wir nämlich so schnell wie es geht verschwinden.

Als alle so langsam wach wurden, beratschlagten wir uns, was zu tun sei. Die Meisten konnten sich mit dem offensichtlichen Risiko anfreunden und hatten vor, trotz des Steinschlages und möglicher weiterer Erdrutsche weiterzumachen. Mir, Ms. Frizzle und Huck war es jedoch zu riskant und so trennte sich unsere Gruppe. Die letzten fünfundvierzig Meilen bis Kennedy Meadows wollte ich nicht mehr machen. Und obwohl ich grundsätzlich gegen das Überspringen bin, war mein Sicherheitsbedürfnis stärker als mein Ehrgefühl. Es fühlte sich für mich nicht richtig an, mich einer offensichtlich vermeidbaren Gefahr auszusetzen, nur um meinem Ehrgeiz nachzugeben.

Auf dem Rückweg kamen wir ab und zu an heruntergefallenen Steinen vorbei. Massive Brocken, die einen Wanderer im richtigen Moment locker hätten töten können. Ich war froh, dass ich mich für den Rückzug entschieden hatte, war jedoch auch noch etwas ängstlich, da mir das Bild mit dem Steinschlag von gestern einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Was für Naturgewalten!

Und so warteten wir in der brütenden Hitze auf einen Trailangel. Ms Frizzle hatte uns eine Fahrt nach Kennedy Meadows arrangiert. Nach etwa einer halben bis dreiviertel Stunde kam das Auto und wir fuhren mit der Frau mit. Ich staunte über die Berge, die links an uns vorbeigezogen. Eine neue Perspektive auf die Landschaft.

Wir fuhren vom Tal aus zurück in die Berge und unterhielten uns eine Menge. Es war eine interessante Fahrt und ich konnte kaum glauben, dass ich schon so schnell in Kennedy Meadows sein würde.

Hunderte Paar getragener Schuhe lagerten vor Grumpy Bears, einem Restaurant kurz vor der Stadt. Die Szene wirkte ein wenig wie aus einem Entwicklungsland. Etwas weiter hinten war der Ausstatter „Triple Crowns“. Die Frau, die da arbeitete, hatte bereits alle drei großen Fernwanderwege in den USA durchwandert. Den Pacific Crest Trail, den Appalachian Trail und den Continantal Divide Trail. Und den Ersteren bereits vier Mal! Ich konnte es kaum glauben.

Mein Zelt schlug ich im Unterholz etwas weiter links von dem Ausstatter auf. Dort waren schon etliche andere Zelte aufgestellt worden. Ich lernte viele neue Gesichter kennen und ließ es mir gut gehen. Heute kam eine Wanderin an, die ich schonmal im Hiker Heaven (Agua Dulce) getroffen hatte, aber mit der ich bisher kaum Worte wechselte. Sie hörte auf den Namen Dusty (von dust = Staub). Wir freundeten uns an und unterhielten uns eine Menge. Irgendwann vertraute ich ihr auch tiefer gehende Gedanken an und sie tat dasselbe. Es tat uns beiden gut, über Themen zu sprechen, die uns tief drinnen beschäftigten.

Die Preise waren alles in allem ziemlich überteuert. Doch durch die Abgeschiedenheit von größeren Städten war es für mich nachvollziehbar, dass man hier etwas tiefer in die Tasche greifen musste.

Ich war ein wenig resigniert, dass die Meisten meiner Gruppe nicht hier waren. Doch so ist das Leben manchmal. Ich betete für ihre Sicherheit. Kommt gut an Leute, der Gott der Natur sei mit euch!

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