Vergangene Nacht habe ich es irgendwie geschafft Schlaf zu finden. Den Umständen entsprechend war dieser etwas unruhig, doch aufgrund der allgemeinen Erschöpfung der vergangenen Tage fest. Als ich langsam munter wurde, bemerkte ich als erstes die Stille. Nur hin und wieder wurde sie durch ein unstetiges Tröpfeln auf mein Zeltdach unterbrochen. Die regenschweren Tannen schüttelten ihr Wasser langsam von den Nadeln. Für einen Moment schien der Frieden zwischen Himmel und Erde wiederhergestellt und die Luft roch so angenehm, als wäre gestern nicht die halbe Welt untergegangen.

Wir Zwei waren emotional sehr angeschlagen. Ich musste meinen Kameraden recht lang dazu überreden schnell einzupacken und nicht noch länger zu warten. Als wir schließlich draußen unter den Bäumen standen, fing es doch tatsächlich wieder zu regnen an. Im rekordverdächtigen Tempo packten wir unsere sieben Sachen ein. In dem Moment war es mir total egal, ob ich mein Zelt zuerst oder zum Schluss in den Rucksack stopfen sollte. Es war sowieso alles von Wasser durchnässt, außerdem waren wir nicht weit von der nächsten Bushaltestelle nach Reds Meadow entfernt. Ich malte mir die wohlige Trockenheit eines Gasthauses aus und konnte es gar nicht mehr erwarten. Unterwegs streichelten uns lange Farne und Gräser. Die Vegetation gab uns noch eine Portion Wasser obendrauf und so wurde ich letztlich doch noch bis auf die Unterhosen nass. 🙂


Als wir endlich da waren, dachten wir schon den Bus verpasst zu haben. Wie sich jedoch herausstellte, waren wir etwas überpünktlich. Wir setzten uns in ein Café und Dave bestellte sich etwas zu Futtern. Die Kellnerin muss bei meinem Anblick nicht schlecht geguckt haben, ich sah wahrscheinlich aus, als hätte ich mich auf der Flucht von einem Bären fünf Tage im Wald verirrt.. 😀 Trotzdem war ich heilfroh, dass dieser Horror fürs Erste überstanden war.

Gegen acht Uhr fuhren wir mit dem Bus zu oben genanntem Ort, einem Ski Resort, der zu dieser Jahreszeit eigentlich schon längst hätte geschlossen sein sollen. Doch der starke Schneefall dieses Jahr, ermöglichte es, die Saison um Wochen nach Hinten zu verschieben. Von dem Schigebiet aus ging es weiter nach Mammoth Lakes. Die Stadt wirkte größer als zunächst gedacht. Der hauptsächliche Geldmotor des Ortes ist ohne Zweifel der Tourismus. Überall waren Mountainbiker unterwegs und gurkten durch die Straßen. Der sehr gute öffentliche Nahverkehr ermöglichte uns ein entspanntes Vorankommen, zudem war dieser komplett umsonst. Wir versuchten es zunächst in einem Hotel, dessen Preise uns nicht zu sehr abschreckten. Doch sie hatten nur noch ein Zimmer mit Ehebett frei. Nicht das mich das direkt abgeschreckt hat, die $144 pro Nacht waren es mir aber einfach nicht wert. Die Frau am Empfang hatte wahrscheinlich etwas Mitleid mit uns zwei triefenden Wesen und schenkte uns etwas Obst. Und schon war mein Tag gerettet, denn wenn man durch die Hölle gegangen ist, freut man sich über jede Form von Zuwendung.. 🙂


Unser nächster Halt war das Davison Street Guest House, ein für Wanderer beliebter Aufenthaltsort. Das komplette Haus stand uns und den anderen Gästen zur Verfügung. Es gab eine Küche, ein Wohnzimmer und alles, was das müde Hikerherz sonst noch begehrte. Zum ersten Mal seit Langem konnte ich mich wieder zurücklehnen und die Seele baumeln lassen. In Momenten wie diesen bemerkte ich immer erst, wie die Anstrengungen die mentalen und körperlichen Kraftreserven aufgezehrt haben. Das Wasser in meinen Schuhen führte bei mir zu Hautabrieb zwischen den Zehen, harmlos aber sehr schmerzhaft. Ich reinigte und versorgte die offene Wunde, bevor ich mich um den Rest kümmerte. Das Foto erspare ich euch an der Stelle.

Die übliche Arbeit stand wieder an, denn ein Fernwanderer hat immer etwas zutun ;). Ich kaufte Essen für zwölf (!) lange Tage. Und das aus dem Grund, da die Versorgungslage unterwegs nicht ganz so rosig aussah. Es gab hier einen Discount Markt für biologische Produkte – da habe ich nicht nein gesagt! Dann stellte sich die Frage nach der abgesoffenen Kamera. Sie zeigte hin und wieder Funktionsstörungen, war aber im Grunde (noch) nicht kaputt. Ich suchte verzweifelt nach Silica Gel Beuteln um Feuchtigkeit aus dem Gerät zu ziehen. So rief ich unzählige Läden an, doch keiner hatte diese Dinger, die man sonst achtlos in die Tonne wirft.


Etwas später traf auch Zero im Gasthaus ein. Er erzählte, wie er den Gewitterschauer überlebte und wir lachten über uns und unser Glück. Er sagte uns auch, dass er wohl seine Medikamente hier nicht kaufen könne und so musste er leider zurück nach Bishop trampen. Wir versprachen uns, dass wir in ein paar Tagen wieder aufeinander treffen würden. So wurde ich auch noch von Dave verlassen, der bereits am selben Abend wieder aufbrach. Wir handelten einen Treffpunkt einen Tagesmarsch entfernt aus. Ich ließ mich voller Erschöpfung in das Bett fallen. Bis die Welt um mich herum schwarz wurde, ließ ich meine Gedanken frei umherwirbeln und auf ihre eigenen Entdeckungsreisen gehen.

