Heute war der mit Abstand schönste Tag auf meiner bisherigen Reise auf dem Pacific Crest Trail. Atemberaubend.
Wir starteten etwas zeitiger. Es war ein langer Weg nach Oben und wir wollten unsere Zeit effizient nutzen. Vielleicht gäbe es am Ende des Tages noch genug Zeit um nach Kennedy Meadows North zu trampen, damit ich ein Paket abholen kann. Trotzdem hatte ich gute Laune und war voller Tatendrang. Womöglich war meine größte Motivation eine warme Dusche und Kokosnusswasser. Wir schritten durch einen lauschigen Wald, das goldene Licht des frühen Morgens drang seitlich durch das Geäst und tauchte alles in Wärme. Der Weg blieb die meiste Zeit über sehr flach und so sind wir die ersten Meilen förmlich geflogen. Nach einer Weile kamen wir dichter an eine riesige Mauer aus Fels und Gestein. Die rötlichen Berge erhoben sich mächtig aus der Landschaft. Ab einer gewissen Höhe waren sie überwiegend kahl. Dave erzählte mir, dass vulkanische Aktivitäten für die Entstehung der Felsformationen verantwortlich waren. Ich war wie absorbiert von dem Anblick der steinernen Kolosse. Sie wirkten nicht wie von unserer Erde, mehr wie von einer unbekannten Welt.


Kurz vor dem langen Anstieg stoppten wir und ließen uns im Schatten nieder. Wir aßen so ziemlich die letzten Reste unserer Vorräte, um Energie zu tanken. Und dann ging es los. Während wir noch in einem dichten Wald aufstiegen, unterhielten wir uns über verschiedenste Dinge, das lenkte etwas ab und die Zeit verflog schneller. Ab und an bestaunten wir die Berge rechts und links von uns. So tot wie sie schienen, erinnerten sie mich sehr an verschiedene Wüstenabschnitte. Vor allem an „Planet Mojave“, wie ich einen sehr trockenen Teil scherzhaft nannte.

Wir hielten an der letzten erwähnten Quelle vor dem Gipfel und nahmen uns jeder zwei Liter klares Wasser mit. Wie sich später jedoch herausstellte, gab es etliche Schmelzwasserquellen weiter oben. Wir kamen aus dem Wald heraus und hatten unbewachsene Hügel vor uns. Die Ausblicke wurden immer gigantischer. Hier und da lagen noch vereinzelte Schneefelder herum, doch diese störten uns kaum. Verblüfft hielten wir immer wieder an und mussten unsere Augen über die Ferne schweifen lassen. Ich fühlte mich wie in einen Film, oder wie in einem Traum. Jedenfalls konnte mein Verstand das Ganze noch nicht vollends begreifen. So viel Schönheit, so viel Pracht. Und es wurde immer besser.


Nach einer kurzen Trinkpause neben einem kleinen eiskalten Schmelzwasserbach wanderten wir das letzte Stück bis auf die Berge hoch. Der Trail war überwiegend steinig, doch kaum wirklich steil. Er führte uns gemächlich höher und höher. Oben angekommen sah ich mich plötzlich zwei Ausblicken gleichzeitig konfrontiert. Man konnte jetzt in der Ferne die zahlreichen noch teils schneebedeckten Gipfel der High Sierra erkennen. Eine Landschaft wie aus einem Fotobuch.

Der Trail blieb lange Zeit auf etwa gleicher Höhe und schlängelte sich seitlich am nackten Berg entlang. Er offenbarte uns noch zahlreiche tolle Ausblicke. Die gegenüberliegende Bergkette konnte man detailliert betrachten. Ich sah viele Gebirgsflüsse, die sich in das darunterliegende Tal stürzten. Und einen See, der einsam in weiter Ferne hoch oben in einem Tal zwischen den Bergen ruhte. Grüne und rote Flechten überwucherten ein paar Steine. Die Vegetation war ansonsten kaum üppiger. Hier und da gab es jedoch auch kleine Blumen und Büsche. Als wir sogar ein paar kleine schattenspendende Bäume fanden, machten wir Mittagspause. Ich aß etwas Couscous und Dave bereitete sich eine Packung dehydrierte Nahrung zu.


Alles war staubtrocken. Der Boden war für üppiges Pflanzenwachstum anscheinend viel zu steinig. Die Höhe und seltene Niederschläge taten ihr Übriges. Ich erblickte im Osten die White Mountains. Eine trockene Hölle für sich, wie mir mal gesagt wurde. Wir machten eine Rechtskurve und setzten unseren Weg an der entgegengesetzten Flanke des Berges fort. Ein erstes langes Schneefeld blockierte uns. Es gab zwei Routen. Eine oben und eine unten. Ich wählte die untere aus, da es den Anschein hatte, dass ich da über etwas weniger Schnee laufen müsste. Dave dagegen wählte zum Spaß die Obere aus.



Etwas später konnten wir sogar ein Schneefeld hinabrutschen und somit an Strecke sparen – immer wieder eine willkommene Abwechslung. Wir erklommen noch eine letzte Anhöhe. Der Pfad führte uns an der höchsten Stelle zwischen Felsen hindurch, die wie eine Art Tor wirkten. Auf der einen Seite war das noch teilweise von Schnee bedeckte Hochgebirge und auf der Anderen das Vorgebirge der Sierra Nevada. Wir verließen die „Emigrant Wilderness“ und machten uns an den Abstieg.



Auf dem Weg kreuzten wir noch so einige vereiste Schneefelder, die uns teilweise den Weg ziemlich versperrten. Vor uns rutschte ein älterer Mann aus, doch er kam noch mit dem Schrecken davon. Sein Hund rannte unterdessen hin und her, als wäre das für ihn reine Routine und nicht der Rede wert. Und plötzlich waren wir an einer asphaltierten Gebirgsstraße. Für Dave war die Reise an diesem Punkt leider schon zu Ende. Doch ich freute mich für ihn, dass er es geschafft hatte, dass wir beide es geschafft hatten. Es gab zwei Orte, die wir besuchen mussten.
Zuerst ging es westlich nach Kennedy Meadows North – also dem Pendant zu Kennedy Meadows South. Ich hielt in alter Manier des Trampens meinen Daumen in die Luft und prompt hielt ein Jeep an. Auf der Fahrt erzählten wir den beiden Männern von unserem Abenteuer und unseren Beweggründen. Die Beiden schienen davon richtig fasziniert zu sein. Immerhin waren wir schon ein gutes Stück zu Fuß gelaufen. 😉 Als sie uns aus dem Wagen ließen, schenkte uns der Mann jedem zehn Dollar. Das zweite Mal, dass ich Geld als Tramper bekommen hatte. Daran hätte ich mich wirklich gewöhnen können. 🙂

Ich holte ein Paket ab, dass fälschlicherweise an das andere Kennedy Meadows geschickt worden war. Wie es der Zufall so wollte, konnte ich mir dieses einen Monat später trotzdem noch holen. Es waren neue Minimalschuhe drin, also perfektes Timing, denn die alten Teile an meinen Füßen waren schon ziemlich ausgelatscht. Wir trafen noch ein paar andere Weitwanderer mit denen wir uns eine Weile lang unterhielten. Als der Tag langsam in die Dämmerung überging, trampten Dave und ich zurück zum Parkplatz, von dem wir gestartet sind. Wir schlugen unsere Zelte in der wundervollen Kulisse auf, die uns umgab. Was für ein Tag! Ich musste die vielen neuen Eindrücke erst noch verarbeiten…

Dave:
Es war mir eine Ehre mit dir zu wandern. Ich werde unsere gemeinsame Zeit nie vergessen. Vielleicht begegnen wir uns in einem neuen Abenteuer wieder und bis dahin: sei nicht zu streng zu deinen Schülern. ^^
Joschka / Greener
