Endlich war es soweit. Endlich konnte ich meinen Bärenkanister offiziell loswerden. Und diese Chance nutzte ich natürlich. Selbst die Microspikes, die mir so oft treue Dienste auf verschneiten Pässen leisteten, konnten jetzt mit weg. Ich erwartete ab dem Sonora Pass keinen ernsthaften Schnee mehr, der die Dinger erfordern würde. Und da die neuen Minimalschuhe wesentlich leichter als meine „Übergangsschuhe“ waren (zudem gefiel mir die eher unübliche Farbe), tauschte ich das Paar gleich mit aus. Den ganzen Krempel habe ich zu meinen Großeltern in die ferne Heimat verschickt.

Als ich mit dem Versenden fertig war, ging ich zurück in das Hotelzimmer. Dort lagen zwei handgeschriebene Zettel herum. Sie waren von Dave. Er hinterließ mir sozusagen einen kurzen Brief, in welchem er sich von mir verabschiedete und sich für die gemeinsame Zeit bedankte. Er musste wahrscheinlich danach schnell zum Bus und hatte nicht mehr auf mich warten können. Dave: falls du das liest, ich hatte natürlich auch riesen Spaß! Wir sind durch dick und dünn in den Sierras, das hat mir die Reise sehr erleichtert und mir viele schöne Erinnerungen gegeben. 🙂 Ich finde es großartig von ihm, dass er mir angeboten hat ein Paket aus Austin/Texas mit veganem Essen zu schicken. Und ob er selbst zum Veganer wird, wie er es angekündigt hatte (inspiriert durch eine gewisse Person)? Ich bin gespannt! 😀
Etwas später trudelte auch Zero in dem Hotelzimmer ein. Er kam mit dem Bus aus einer anderen Stadt weiter südlich. Nachdem ich und Dave ab Tuolumne Meadows aufgebrochen sind, hatte er versucht uns einzuholen. Doch dabei stürzte er und verletzte sich seinen Ellenbogen. Er musste zwischenzeitlich in ein Krankenhaus in Mammoth Lakes, wo man ihm unter Anderem eine Armschlinge verpasste. Ich fand es wirklich stark, dass er trotz all dem weiter wandern wollte. Respekt! Mit einem Arm in der Binde, während er mit dem Anderen den Treckingstock führte.

Es dauerte nicht lang, bis wir zurück zum Trail trampen konnten. Der Sicherheitsmensch in mir veranlasste mich dazu, noch kurz ein Foto von dem Kennzeichen des Autos zu machen, dass angehalten hatte. Man weiß ja schließlich nie… Der Mann wollte uns zunächst nur bis an eine Kreuzung fahren. Doch nach etwas Plauderei fuhr er uns den ganzen Weg bis hoch auf den Pass, wobei er bestimmt einen zwanzig Meilen langen Umweg machte. Was es doch für nette Menschen gibt!
Ich fühlte mich gar nicht gut, denn während der kurvigen Autofahrt bekam ich Schweißausbrüche und mir war richtig übel, die Seekrankheit meldete sich wieder. Als ich endlich aussteigen konnte, war ich schwach auf den Beinen und mein Kopf fühlte sich schwer an. Nach etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten Pause und einer Avokado ging es mir langsam besser. Doch als wir losmarschierten war ich kraftlos und in meinem Kopf herrschte ein wirres Durcheinander. Das Wetter schien ordentlich mitzuspielen. Der Tag war in Grau gehüllt, wenngleich es nicht nach Regen aussah. Ich verdächtigte den rapiden Höhenwechsel als Schuldigen, doch es hätte genauso gut ein Vitaminmangel oder Dehydrierung sein können.

Während wir langsam höher und höher stiegen, klärte sich der Himmel in der Ferne auf und die hohen Berge erstrahlten in ihrem alten Glanz. Und meine leicht depressive Stimmung verschwand gleich mit. Die Felsen zu meinen Füßen wirkten vulkanischen Ursprungs und zogen meinen Blick wie magnetisch an. Die rötlichen Verfärbungen stachen mir besonders ins Auge.



Wir wanderten heute nur an die sechs Meilen, da wir einen späten Start hatten. Dennoch genoss ich es früh abends am Zeltplatz anzukommen. Wir entzündeten ein Lagerfeuer und aßen. Der Tag zog allmählich an uns vorüber und endete friedlich. Während mir die Augenlider langsam zu vielen, hörte ich das Rauschen des Flusses wie von weiter Ferne.
