Tag 84

Gegen fünf Uhr in der Früh ging es los. Meine Kopflampe war die einzige Lichtquelle, ansonsten umhüllte tiefe Finsternis den Wald. Ich beobachtete meinen dampfenden Atem im Schein des Lichtes und lauschte seinem immerwährenden Rhythmus. Ein.. Aus.. Ein.. Die Luft fühlte sich kalt in meiner Lunge an, ansonsten herrschte Stille. Schritt für Schritt folgte ich dem düsteren Pfad. Vor mir funkelten mich auf einmal zwei Augen an. Ich blieb wie angewurzelt stehen und musste erst einmal meinen Schock verarbeiten. Während ich da stand bewegten sich die Augen kein Stück vom Fleck, sie fixierten mich. Ein Schaudern durchfuhr mich von Kopf bis Fuß. Als ich mich endlich aus dieser Starre befreien konnte, fing ich an Krach zu machen. Ich glaubte eine Silhouette eines Bären ausmachen zu können, war mir da aber nicht ganz sicher. Das Tier entfernte sich irgendwann mit stampfenden Schritten und verschwand im Unterholz. Bald darauf schickte die Sonne ihre ersten wärmenden Strahlen, die mich sehr erleichterten. Ich hatte noch ordentlich Wegstrecke vor mir und so machte ich mich auf zum nächsten Etappenziel meiner Reise.

South Lake Tahoe lag in etwa 40 Kilometern am Fuße eines riesigen Sees, dem Lake Tahoe. Ich war gespannt was mich erwarten würde und nutzte diese Neugier als Antrieb. Der Anstieg war lang und stetig, bot aber die schönsten Ausblicke auf bewaldete Täler und klare Seen.

Dutzende Rehe durchstreiften die Landschaft. Ein wunderschöner Anblick, der ein warmes Gefühl des Friedens in mir erzeugte. Etwas später ging es einen kahlen Berg hinauf. Ich näherte mich dem Carson Pass. Hier lagen selbst im August noch Schneefelder herum. Plötzlich tat sich vor meinen Füßen ein Spalt auf, in den ich leicht hätte reinrutschen können. Ich musste darüber springen, was mir ziemlich Angst eingejagt hat.

Die andere Seite des Passes war schneefrei. Mir kamen auf einmal massenweise Menschen entgegen. Immerhin war ich im Eldorado National Forest, einem schönen Ausflugsziel für Touristen und Einheimische. In mir breitete sich ein seltsames Gefühl aus, was ich nicht ganz zuordnen konnte. Ich war es einfach nicht mehr gewöhnt unter Menschen zu sein.

Üppige Wiesen voller Blumen und Wildkräuter säumten den Wanderweg. Bienen summten von Blüte zu Blüte.

Gegen Ende ging es noch einmal konsequent bergauf. Eine letzte Bemühung vor meinem Ziel. Ich schleppte mich bis zum höchsten Punkt. Auf dem Abstieg traf ich ein nettes Paar aus Tschechien. Ich unterhielt mich ein Wenig mit den Beiden und nutzte die Zeit um eine Pause einzulegen und Wasser zu trinken. Ich hatte es nicht mehr weit bis zum Highway. Meine Füße taten schon extrem weh und meine körperliche Verfassung war eher schlecht. Ich war mehr als bereit für eine längere Pause.

Ich gelangte schließlich an den Highway, an dem ich voller Vorfreude meinen rechten Daumen ausstreckte. Es dauerte keine zwei Minuten, da hielt ein Van am Wendeplatz und ich stieg ein. Die Fahrerin war eine Kletterbegeisterte aus South Lake Tahoe. Ich erzählte ihr einige Geschichten und was ich die letzten Tage alles erlebt hatte. Meine Füße pochten wie wild in meinen Schuhen und fühlten sich etwas taub an. Sie ließ mich an einem Parkplatz in der Stadt aussteigen und ich dankte ihr vielmals fürs Mitnehmen. Benzingeld wollte sie keines.

Ich wusste erst nicht wohin ich gehen sollte und kontaktierte Zero, der bereits da war. Er hatte bei sehr netten Trail Angels eine Unterkunft organisieren können und ich durfte auch kommen. Die Beiden lebten in einem kleinen Häuschen in einer bewaldeten Gegend. Es tat unheimlich gut die Füße hochzulegen und zu entspannen. Ich war irgendwie zu nichts mehr fähig. Zum Abschluss des Abends machte ich mir einen großen Teller mit Salat. Das hatte ich wirklich vermisst.

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