Als ich erwachte, war es kalt. Sehr kalt. Über mir waren Wassertropfen, die an der Zeltinnenwand hingen. Ich fühlte mich müde und irgendwie nicht in der Lage aufzustehen. Zero war anscheinend immer noch nicht hier, was meine fehlende Motivation teilweise erklären könnte. Ich stellte den Wecker auf eine weitere halbe Stunde ein. Diesen Vorgang musste ich wohl einige Zeit wiederholt haben, denn als ich mich endlich überwinden konnte aufzustehen, zeigte die Uhr schon Viertel vor Sieben, statt fünf Uhr morgens an. Ich ärgerte mich etwas über mich selbst, redete mir dann jedoch ein, dass es halb so wild sei und brach auf.
Ich war noch immer tief im Wald. Irgendjemand sagte mir heute, dass das der grüne Tunnel sei, der sich für die nächsten eintausend Meilen nicht großartig verändern würde. Weniger Aussichten, als ich es bisher gewohnt war und Millionen Bäume. Wenigstens gab es hin und wieder sehr ausgefallene Exemplare, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen.


Ich mochte es besonders, wie sich das östlich einfallende Sonnenlicht den Weg durch die Vielzahl von Stämmen bahnte und alles in ein goldenes Licht eintauchte. An vielen dieser Bäume wuchs saftig grünes Moos. Es zeigte fast immer zuverlässig in Richtung Norden, also in meine Zielrichtung. Das beeindruckte mich. Irgendwo und irgendwann hatte ich den Grund für dieses Wuchsverhalten einmal gehört, doch mir wollte die Erklärung dafür partout nicht einfallen.

Kurz vor meinem geplanten Mittag überquerte ich eine Piste. Eigentlich nicht der Rede wert und ich hätte es auch unerwähnt gelassen, wenn ich nicht eine unerwartete Begegnung mit einem alten Bekannten gehabt hätte. Ich dachte, dass ich mit der Wüste auch alle Klapperschlangen hinter mir gelassen hätte. Doch dem war nicht so. Ich bemerkte sie zunächst nicht, da ich mich auf ein Schild konzentrierte. Dennoch nahm ich am Rande ihr Rasseln wahr, dass sie zur Warnung erzeugte. Doch in meinem Unterbewussten musste ich dieses Geräusch wohl mit dem einer Grille verwechselt haben. Es gab hier Dutzende von denen. Dann durchfuhr es mich wie ein Blitz, als ich mir der Situation plötzlich bewusst wurde. Das große Tier ließ mich keine Sekunde aus den Augen, während es sich schützend zusammenrollte. Als der Schock überwunden war, staunte ich über die Art, wie die Haut gemustert war. Ein schönes Tier, aber auch bedrohlich.

Etwas später aß ich mein Mittagessen. Danach musste ich für zehn Minuten die Augen schließen, um meinem Körper eine kurze Rast zu gewähren. Da hörte ich ein Geräusch. Und plötzlich stand ein mittelgroßes Reh in etwa zehn Metern von mir entfernt und starrte mich mit seinen großen schwarzen Augen an. So verging bestimmt eine Minute, in der wir zwei uns regungslos in die Gesichter sahen. Ich konnte förmlich beobachten, wie das Tier auf eine Reaktion von meiner Seite aus wartete. Doch ich blieb reglos wie eine Statue. Eine bizarre Situation. Zunächst traute ich mich nicht einmal nach meiner Kamera zu greifen, da ich annahm, dass ich das Tier sehr leicht verschrecken würde. Und ein paar Augenblicke später drehte sich das Reh um und rannte in die Wälder davon. Solch zufällige Begegnungen versüßen mir immer den Tag. 🙂

Es ging weiter durch noch mehr Wald. Und durch Meere aus Wildblumen, die wie verrückt blühten. Insekten flogen eifrig umher und saugten den Nektar aus den bunt leuchtenden Pflanzen. Unzählige Schmetterlinge, mindestens vier unterschiedliche Arten konnte ich ausmachen, beteiligten sich an dem Spektakel. Gegen Abend klärte sich mein Blick für eine kurze Zeit. Ich konnte in der Ferne den Lake Tahoe sehen. Eine Monstrosität von einem See. Fast wie die Ausläufer eines Meeres, oder wie ein norwegischer Fjord, lag er stahlblau dort unten und schlummerte.


Nach „nur“ rund siebzehn Meilen schlug ich bereits mein Lager, kurz nach einem längeren Anstieg, auf. Ich nahm mir fest vor morgen disziplinierter zu sein und früher aufzustehen. Mich beschlich nämlich so langsam die Vorahnung, dass Zero mich überholt haben musste, ich sah ihn nämlich heute nicht ein einziges Mal. Vielleicht würde ich ihm morgen wieder begegnen, zumindest hoffte ich das.