September der Erste.
Nach einer unruhigen Nacht, in der ich von einer Art Stromgenerator immer wieder aufgeweckt wurde, musste am Morgen alles ganz schnell gehen. Ich hatte mir am Vortag für acht Uhr in der Früh eine Fahrt zurück zum Trail arrangiert. Es war eine ganze Menge zu tun. Neues Klopapier, mehr Handdesinfektionsmittel und eine neue Gaspatrone mussten her. Das Essen für die nächste Etappe entnahm ich meinem Paket. Beim Frühstück kam ein Kater vorbei und schien ganz interessiert an mir zu sein. Okay, vielleicht eher an meinem Essen. Er war ziemlich groß und da er nicht gerade Magersüchtig schien, beließ ich es beim Streicheln. Ich hatte ohnehin nichts Geeignetes für Katzen. Ich bekam etwas Sehnsucht nach unseren Katzen Zuhause. Nach dem alles verstaut war, duschte ich noch schnell etwa einen halben Kilometer weiter.

Als ich zurückkam, stand ein älterer Herr im General Store und trank einen Kaffee. Es war Gerry, den ich gestern anrief. Kurz darauf fuhren wir los. Gerry war nicht sehr gesprächig und ich war noch ziemlich müde, daher redeten wir die meiste Zeit über kein Wort. Auch die Stille muss man aushalten können und zwanghafte Unterhaltungen wären auch sinnfrei gewesen. Er setzte mich am PCT ab und ich bedankte mich herzlich. Im Nachhinein ärgerte ich mich, dass ich ihm nicht einmal Benzingeld gegeben hatte. Das nächste Mal würde ich es besser wissen.

Und schon ging es wieder los in Richtung Kanada. Mein Zeitplan war straff und ich sagte mir, dass ich es wenigstens versuchen würde. Man weiß nie, wie es letztlich kommt. Doch wer nicht wagt, der hat bereits verloren, nicht war?
Die meiste Zeit über ging es aufwärts. Ich war froh, dass ich bereits früh zum PCT gelangt war, die stetigen Anstiege raubten mehr Zeit und Energie als üblich. Nach ein paar Stunden kam ich an eine Brücke. Über dieser war ein Baum umgestürzt. Jemand hatte Blumen aufgestellt. Und plötzlich begriff ich. Das war der Baum, der vor ein paar Tagen einen Wanderer brutal erschlagen hatte. Ehrfurcht überkam mich, außerdem leichte Trauer beim Anblick des Blumenstraußes. Wie zerbrechlich das Leben doch ist..


Der Trail führte meilenweit aufwärts und ich hatte nach einem riesigen Brandgebiet einen tollen Blick auf Mount Adams. Der Berg ragte massiv und allein aus seiner Umgebung heraus. Plötzlich bemerkte ich, dass ich keinen Schluck Wasser mehr hatte. Das Wasser eines in der Nähe gelegenen Baches war seltsam milchig. Da ich kaum eine Möglichkeit hatte, diese Trübung herauszufiltern, versuchte ich einfach die nächsten drei Meilen trocken zu überwinden. Das ging jedoch nach hinten los. Nach bereits zwanzig Minuten wurde mir mulmig zumute und ich fühlte mich schwindlig. Ich bekam sogar einen Schweißausbruch, das konnte nichts Gutes bedeuten. Glücklicherweise lief ich zwei Frauen über den Weg, die mir ein- oder zweihundert Milliliter Wasser abgaben. Gerade so viel, dass ich es schaffen konnte. Dem Himmel sei Dank für diese Beiden. 🙂

Ich kam zu einem stark fließenden Fluss, der schon wieder nur trübes Wasser führte, doch dieses Mal war mir das Einerlei. Das Zeug schmeckte etwas komisch, was zur Not aber besser war als nichts. Ich nutzte es ganz normal zum Kochen und Trinken. Ich entschied mich für einen Zeltplatz und entzündete ein Feuer um meine kalten Glieder aufzuwärmen. Ich fühlte Einsamkeit. Immer wieder war sie ein Begleiter meiner Reise gewesen. Jetzt schien sie neben mir Platz genommen zu haben. Mit mir am Feuer.
