Etwas verpennt und in dem Wissen, dass heute wieder Wandern an der Tagesordnung stand, stellte ich mich früh unter die Dusche und ließ warmes Wasser auf mich fließen. Beim Frühstück versuchte ich mich etwas zu motivieren. Ein Blick aus dem Fenster verriet, dass es heute wieder ein vernebelter Tag werden würde. Der Wetterbericht kündigte zudem Regenschauer an. Was für Aussichten!
Ich machte dieses Mal nicht allein los. Beim Anziehen der Schuhe lernte ich einen Wanderer aus Prag kennen, er hörte auf den Namen „Gummibear“. Wir hatten Beide am dreiundzwanzigsten September einen Flug von Vancouver aus gebucht.
Als wir kurze Zeit später schon auf dem Trail waren und einen langen Marsch aufwärts in die dichten Wolken hinein bewältigten, redeten wir über Gott und die Welt. Ich baute direkt einen guten Draht zu ihm auf. Ein neuer Gefährte?

Heute zeigte sich die Natur sehr wechselhaft und kalt. Mal befand ich mich in so dichtem Nebel, dass ich kaum fünfzig Meter sehen konnte, mal verschwanden die Schwaden und verrieten, was hinter ihnen verborgen lag. Ich staunte über die außerordentliche Schönheit der Gebirge und Seen. Zusammen mit den Wolken entstanden dramatische Bilder, die ich nicht so schnell vergessen werde.

Immer wieder überraschten mich kurze Regenschauer. Ich versuchte daher in Bewegung zu bleiben und möglichst wenig Rast zu machen. Ich kühlte sonst zu schnell aus. Meine Mittagspause verbrachte ich zitternd. Nach dem Essen schnallte ich mir meinen Rucksack wieder auf und marschierte weiter. Das Gelände war sehr steinig und schroff. Tannen wuchsen an den unmöglichsten Stellen der Steilwände.


Gegen Abend klärten sich die Wolken und gaben freie Sicht auf das Land. Wieder einmal wurde ich für meine Aufopferungsbereitschaft belohnt. In bunten Farben leuchtete die Natur und zeigte ihr neues Herbstgewand. Erste direkte Sonnenstrahlen wärmten meine Brust.

Gummibear war vorausgegangen. Ich hatte keine Chance mehr aufzuschließen und kampierte deshalb allein. Die Nacht brachte wieder eisige Kälte, daher verkroch ich mich abends so schnell es ging in meinem Schlafsack. Gute Nacht Washington.
