Tag 126 – Kanada!

Im Zwielicht des Morgens packte ich mein Zelt zusammen. Ein letztes Mal erhob sich die Sonne über dem Horizont. Mystisches Licht flutete den Himmel. Bevor ich mich auf den Weg machte, drehte ich mich noch einmal um. Die Wolken, die sich auf der Südseite der Berge gestaut hatten, schwappten wie Gischt durch einer Spalte in das darunterliegende Tal. Etwas Derartiges hatte ich noch nie zuvor gesehen.

Wenig später breitete sich ein atemberaubendes Panorama vor meinen Augen aus. Die Gipfel der Kaskadenkette ragten aus der watteartigen Wolkenschicht. Das Wetter war perfekt. Der ideale Abschluss einer so unglaublich weiten Wanderung.

Die letzten zehn Meilen waren ein Spaziergang. Es ging die meiste Zeit über bergab. Ein paar letzte Eindrücke schnappte ich noch auf, bevor mich der Wald mit Haut und Haaren verschlang.

Während des Absteigens drang ich in die dichten Nebelschleier ein. Das Sonnenlicht kreierte eine ganz besondere Stimmung, die ich einfach festhalten musste. Man konnte den Verlauf der Strahlen beobachten, die sich ihren Weg vorbei an den Ästen der Bäume bahnten. Goldenes Licht flutete meine Welt.

Weiter und weiter wanderte ich durch dichte Nadelwälder. Die Gedanken überschlugen sich. Und plötzlich, einfach so, war ich angekommen. Dort stand das Monument. Links die Flagge der Vereinigten Staaten, rechts die Kanadische. Einen Augenblick lang stand ich einfach nur da und starrte das hölzerne Objekt an. Als ich mich wieder gefasst hatte jubelte ich. Da war ich!! Kanada!!! Ich war nicht alleine hier. Eine Familie feierte die Ankunft eines anderen Wanderers. Ich bat eine junge Frau darum ein paar Fotos von mir zu schießen. 🙂

Vor vier Monaten startete ich meine Reise in Campo, Kalifornien. Was soll ich sagen, jetzt, nach einer Wanderung von dreitausend Kilometern? Ich habe die Welt gesehen. Ich habe erfahren was es bedeutet den Elementen ausgesetzt zu sein. Ich habe Klapperschlangen gefilmt, Schwarzbären in der Nacht verjagt, ein Erdbeben und reißende Flussüberquerungen überlebt. Ich bin fast einhundert Kilometer mit Flip Flops und Blasen durch die Wüste gewandert. Ich habe Freunde fürs Leben kennengelernt, habe die bedingungslose Güte und Herzlichkeit der Trail Angels erfahren und bei all diesen Erlebnissen bin ich vor allem einem begegnet: nämlich mir selbst.

Ein Liebesgeständnis an den Pacific Crest Trail.

Nach etwa einer Stunde machte ich mich auf nach Manning Park, Britisch-Kolumbien, meiner letzten Haltestelle vor der großen Stadt. Es waren noch gute zwölf Meilen, doch es war warm und die Sonne schien. Ich bin die Strecke förmlich geflogen. Es kamen Gedanken an Zuhause und ich legte mir im Kopf schonmal die Geschichten zurecht, die ich zu erzählen hatte.

In Manning Park angekommen, traf ich mal wieder Gummibear. Wir beglückwünschten uns gegenseitig und schmiedeten gemeinsam einen Plan, wie es weitergehen sollte. Morgen ging es für uns nach Vancouver. Ob ich schon bereit war für diesen Kulturschock? Ich wusste es nicht. Gerade war mir das auch relativ egal, denn ich war noch immer ein wenig benebelt.

So endete meine Reise durch den Westen Amerikas. Vielen Dank, dass ihr mit dabei wart!

In Liebe und Wertschätzung für alles Leben auf dieser Erde,

Joschka / Greener

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